„Die Ablenkungsfrage?“ – Kommunikation im Konflikt: Fragen statt Ratschläge?! von Bernhard Böhm

Jonathan Barth

Veröffentlicht in Die Mediation – das Fachmagazin für Wirtschaft, Familie, Kultur und Verwaltung, Ausgabe Quartal I/2017, S. 6

Auflagenstärkstes Fachmedium für Mediation und Konfliktmanagement im deutschsprachigen Raum mit einer aktuellen Auflage von 16.800 Heften

Bernhard Böhm

Die eleganteste Form der Verschleierung

Die Taktik des erfolgreichen Fragekonters habe ich vor vielen Jahren von einem liebenswürdigen, aber nicht gerade übermäßig fleißigen Praktikanten „erlernt“. Seine Gabe bestand darin, dass, bevor ich ihn nach seinem geleisteten Arbeitspensum fragen konnte, er meinem Ansinnen mit einer geschickten „Konterfrage“ zuvorkam: „Wie war der Termin, Sie sehen so angespannt aus?“ „Was machen die Kinder?“ „Haben Sie auch schon gehört?“ usw.

Geschickt gelang es ihm auf diese Weise, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Und er wusste dabei genau, welche Themen mich interessieren und auf welche Fragen ich dementsprechend auch „anspringen“ würde.

Nutzen Sie den Überraschungseffekt der Konterfrage

Wenn Sie also einmal etwas zu verbergen haben, seien Sie schneller als Ihr Gesprächspartner. Fragen Sie Ihn nach seinen letzten Urlaubserlebnissen, zu seiner Einschätzung des letzten Sportereignisses oder nach seiner aktuellen Arbeitsaufgabe. Überlegen Sie im Vorfeld, welche Frage Ihr Gegenüber besonders „triggern“ könnte. Je mehr Interesse Ihr Gesprächspartner am Thema hat, umso leichter wird er sich durch Ihre Frage aus dem Konzept bringen lassen.

„Wie war die Stimmung gestern im Stadion?“ „Was machen Deine Geburtstagsvorbereitungen?“ „Was sagen Sie zur neusten Vorstandsvorlage?“ – Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Ihr überraschtes Gegenüber auf die Frage eingehen und von seinem beabsichtigtem „Angriff“ ablassen. So haben Sie das Ruder übernommen und lenken das Gespräch geschickt auf ein Nebengleis. Ihr Gesprächspartner wird wohl einiges an Energie benötigen, um wieder auf das Anfangsthema zurückzukommen.

Probieren Sie die Ablenkungsfrage aus! Mich erstaunt es immer wieder, wie einfach sich die Menschen – mich eingeschlossen – im Gespräch ablenken lassen. Die wenigsten durchschauen auf Anhieb die Taktik.

Der Gegenkonter

Nun können Sie natürlich – wie in meinem Fall des Praktikanten – auch selbst „Opfer“ einer Ablenkungsfrage sein. Wie können Sie reagieren?

Zunächst muss einem die trickreiche Frage auffallen. Dann empfiehlt es sich, kurz auf die Frage einzugehen, um sogleich mit einem Gegenkonter das Zepter wieder zu übernehmen: „Wie war der Termin, Sie sehen so angespannt aus?“ „Oh, das fällt Ihnen auf? Sie haben eine gute Beobachtungsgabe. Was macht denn eigentlich das Projekt?“ Eine andere Variante: „Bevor ich darauf antworte, hätte ich noch eine Frage …“ Mit einem solchen Gegenkonter hat Ihr Gesprächspartner wahrscheinlich nicht gerechnet.

Ausweichfragen

Die Technik können Sie auch dergestalt nutzen, dass Sie gezielt auf ein Thema ausweichen, in dem Sie sich wieder etwas sattelfester fühlen. Oder um Zeit zu gewinnen und sich ein eigenes Bild zu machen. So können Sie gut Ihr Unwissen vertuschen: „Wie schätzen Sie die Marktsituation ein?“, „Bevor ich darauf antworte, habe ich noch eine andere Frage …“

Übrigens: Auch bei Befragungen, zum Beispiel in der Marktforschung, wird gerne mit Ablenkungsfragen gearbeitet. Damit werden Gedankengänge unterbrochen und der Proband vom eigentlichen Untersuchungsinhalt „abgelenkt“. So wird verhindert, dass der Befragte die vermeintlich „gewünschte“ Antwort gibt oder diese von vorher behandelten Themen überlagert wird.

Autor RA Bernhard Böhm, MM., arbeitet seit Ende der 90er-Jahre als Mediator und ist Experte für Mediation und außergerichtliches Konfliktmanagement. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Mediation innerhalb und zwischen Organisationen bzw. Unternehmen sowie die Mediation im öffentlichen Bereich. Außerdem berät er bei der Umsetzung von innerbetrieblichen Konfliktmanagementsystemen. Als Ausbildungsleiter und Trainer hat er vor vielen Jahren gemeinsam mit Dr. Gernot Barth das Steinbeis-Ausbildungskonzept entwickelt und bildet seitdem Mediatorinnen und Mediatoren in Deutschland und Österreich aus.

zum konkreten Heft “Die Strippenzieher”

2 Kommentare. Kommentar schreiben

Ich finde, die Taktik des erfolgreichen Fragekonters ergibt Sinn. Durch eine Gegenfrage wird man abgelenkt und aus dem Konzept gebracht. Dies kann auch Mediatoren für Familien helfen, die alleine keine Unterhaltung mehr zustande bekommen.

Antworten

Es werten auch bei uns im Unternehmen immer wieder Konflikte auf. Ich finde es auch sehr wichtig, dass man in Ruhe darüber spricht. Schön zu wissen, dass man bei Konflikten auf den Überraschungseffekt und mit eine Konterfrage reagieren sollte.

Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.